Neckar: „Blindflug“ Castor-Transport

Polizei missachtete beim dritten Transport alle Sicherheitsregeln
Voraussichtlich Dienstag 17.10.17 leere Castoren nach Obrigheim und Donnerstag 19.10.17 Rückfahrt der leeren Schiffe nach Neckarwestheim

b_300_0_16777215_0_0_images_artikel_news_171011-castor3_171011-neckar-castorfrei-47.jpg(Pressemitteilung 16.10.2017) Castoren enthalten den gefährlichsten Müll, den die Menschheit kennt: hochradioaktiven, langfristig heißen und Millionen Jahre lang strahlenden, tödlichen Atommüll. Dass die Polizei am 11.10.17 nach dem dritten Castor-Transport auf dem Neckar banal nur von „ausgedienten Brennelementen“ schreibt, steht symptomatisch für das Bündel haarsträubender Schlampereien bei diesem Transport.

In Fachkreisen gelten „EVA“ und „SEWD“ als die ganz großen, kaum beherrschbaren Risiken von Castor-Transporten: das sind „Einwirkungen von außen“ und „Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter“, also insbesondere die Möglichkeit gezielter Anschläge auf die Transporte mit Zerstörung eines Castors. Besonders verletzlich sind dabei die langsamen Schiffstransporte, und das in extremer Form bei den Wendemanövern und beim Schleusen. Die „EVA“ und „SEWD“ betreffenden Teile der Genehmigung sind geheim und damit einer öffentlichen Beurteilung entzogen. Das reale Handeln der Polizei beim Transport dagegen spricht eine deutliche Sprache:
die Polizei ist entweder unfähig oder unwillig, auch nur elementare Maßnahmen zur Sicherung der Castor-Transporte vor gefährlichen Einwirkungen zu erledigen.

Hierzu einige Beobachtungen:

  • Die Polizeipräsenz wurde beim dritten Transport massiv verringert, war sogar schwächer als bei der Leerfahrt vor dem zweiten Transport.
  • Der dritte Transport startete im Dunkeln.
  • Das waghalsige Wendemanöver vor der Schleuse Guttenbach fand ebenfalls im Dunkeln statt, das Castor-Schiff hatte dabei nur wenig Abstand zum Ufer.
  • Brücken wurden viel zu spät für den Autoverkehr gesperrt und viel zu früh wieder freigegeben.
    Z.B. durften bereits wieder Autos und LKWs über die Otto-Konz-Brücke in Heilbronn fahren, als das Castor-Schiff noch in der direkt anschließenden Schleusenkammer befand.
  • Die Autobahnbrücke über den Neckar bei Heilbronn wurde überhaupt nicht gesperrt.
  • Die Polizei hat die Flussufer entlang der Strecke nicht unter Kontrolle und ließ den Transport durchgängig auch dort fahren, wo Menschen direkt am Ufer waren.
  • Sowohl bei der Verkehrsregelung als auch im Umgang mit den Protestaktionen zeigte sich bei allen drei Transporten ein Kompetenzwirrwarr und Kommunikationschaos bei der Polizei. Schon allein die Tatsache, dass bei Gundelsheim die südliche Hälfte von Neckar und Brücke zum badischen Landkreis NOK und die nördliche Hälfte zum württembergischen Landkreis HN gehören, führte zu Verzögerungen in den Polizeimaßnahmen.
  • Die Polizei brauchte 25 Minuten, um die schwimmenden Robin Wood-DemonstrantInnen aus dem Wasser zu holen. Was wäre gewesen, wenn das nicht politischer Protest gewesen wäre, sondern wenn statt dessen kriminelle oder terroristische Angreifer im Wasser gewesen wären?
  • Die Polizei ließ den Transport unter der Brücke der Schleuse Gundelsheim hindurch fahren und dann in die Schleusenkammer einsperren, obwohl noch angekettete DemonstrantInnen direkt oberhalb davon auf der Brücke waren, die z. B. jederzeit leicht ihre Rucksäcke auf das Schiff hätten werfen können. Was wäre gewesen, wenn das nicht politischer Protest gewesen wäre, sondern wenn statt dessen kriminelle oder terroristische Angreifer auf der Brücke gewesen wären?
  • Beim Brücken-Protest hat die Polizei das Castor-Schiff sogar unter zwei ihr unbekannten Autos hindurch fahren lassen. Die Autos wurden wie die Rucksäcke erst durchsucht, als das Castor-Schiff längst weiter gefahren war, und die Polizei hat die Autos sogar aktiv auf der Brücke festgehalten, statt sie aus dem möglichen Einwirkungsbereich auf den Transport wegfahren zu lassen. Was wäre gewesen, wenn die Autos nicht Teil des politischen Protests gewesen wären, sondern Mittel eines kriminellen oder terroristischen Anschlags?
  • Offensichtlich konzentriert sich die Polizei nur auf die Behinderung des politischen Protests und vergisst komplett die Sicherung der Transporte vor den tatsächlichen Gefahren.
  • Die Zeitverzögerung des drittens Transports, der durch die Protestaktionen bei Gundelsheim etwa 45 Minuten lang aufgehalten wurde, wurde durch Langsamfahrt zwischen Neckarzimmern und Gundelsheim verschleiert. Dieses falsche Ziel, den Transport unbedingt als unbeeinflusst erscheinen zu lassen, ist wohl die Erklärung für die o. g. unverantwortliche Entscheidung der Polizei, den Transport durch die Schleuse Gundelsheim zu schicken, obwohl die Brücke nicht frei war.
  • In Heilbronn und Lauffen setzte die Polizei Flugdrohnen in verbotenen Bereichen am Fluss und über Menschenansammlungen ein und gefährdete damit selbst den Transport und die Menschen.

 

Kritische Anmerkungen zur Strahlung der Transporte:

EnBW, Umweltbehörde LUBW und Umweltministerium Baden-Württemberg verschleiern und verharmlosen die massive Gamma- und Neutronenstrahlung, die von den Castor-Transporten ausgeht. Es mag sein, dass die Strahlung noch im gesetzlich erlaubten und von den Verantwortlichen erwarteten Bereich liegt, aber trotzdem ist sie auffällig und stark erhöht.

Die amtlichen Messungen der LUBW zeigten z.B. beim ersten Transport bei der Schleuse Horkheim eine Erhöhung der Neutronenstrahlung während des Transports auf das 18,8-fache! (Im Rahmen der von der LUBW angegebenen Messungenauigkeit könnte es sogar ein Vervielfachungs-Faktor von bis zum 75-fachen sein).

Zu Erinnerung: es gibt für radioaktive Strahlung keine sicheren Grenzwerte. Und selbst vermeintlich niedrige zusätzliche Strahlendosen kommen noch zur sonstigen Strahlenbelastung als zusätzliche Gefährdung hinzu. Die Grundsätze des Strahlenschutzes und das Recht auf körperliche Unversehrtheit verlangen, alle zusätzlichen Gefährdungen so gering wie möglich zu halten. Das geschieht aber bei diesen Castor-Transporten nicht. EnBW, Transportfirma DAHER, Umweltministerium, Bundesamt BfE und Polizei versagen.

  • Transportpersonal und Polizei lassen elementare Maßnahmen zum Selbstschutz gegen Strahlung vermissen: unverantwortlich!
  • Die Bevölkerung wird von den Behörden nicht vor der Strahlung gewarnt (ebenso wenig wie vor den anderen Gefahren der Transporte): unverantwortlich!
  • Die Polizei schickt noch nicht einmal Kinder von Ufer weg: unverantwortlich!
  • Alle Mitteilungen der EnBW und der Behörden verharmlosen die zusätzliche Strahlung („keine Auffälligkeiten“): unverantwortlich!
  • Nach dem ersten Transport veröffentlichte das Umweltministerium zwar die (erhebliche) Strahlendosis für den Schiffsführer, verharmloste diese aber zugleich und verschwieg, dass andere Transportbegleiter viel näher an den Strahlungsquellen waren: unverantwortlich!
  • Die Gefahrgut-Kennzeichnung des Castor-Schubverbandes mit 2 blauen Kegeln bzw. Lampen reicht zur Warnung der Bevölkerung nicht aus, es fehlen auch auf Entfernung gut sichtbare Radioaktivitäts-Zeichen: unverantwortlich!
  • Menschen in der Nähe des Transports werden nicht darüber informiert, was die Alarmlampen der Autos auf dem Schubleichter und das Öffnen und Schließen der Lüftungslamellen der Castoren-Garage auf dem Schubleichter zu bedeuten haben: unverantwortlich!
  • Wir konnten auch beim dritten Transport wieder beobachten, dass sich das Mess-Personal der LUBW wenig Mühe macht, die Messung abschwächende Faktoren gering zu halten (Mauern und Metallgegenstände im Messweg, unnötig lange Messwege durch das Wasser usw.): unverantwortlich!
  • Umweltminister Untersteller propagiert, Castor-Transporte künftig überwiegend per Schiff durchzuführen: unverantwortlich!
  • Auch andere Atom-Transporte sollen künftig auf dem Fluss erfolgen, z. B. im Pendelverkehr zwischen AKW Philippsburg und AKW Neckarwestheim sowie Transporte von strahlendem AKW-Abrissmüll zur Wiederverwendung im Tief- und Hochbau: unverantwortlich!

Heute werden die noch leeren Castoren Nr. 11 und 12 (für den vierten Transport) und Castor Nr. 13 (für den fünften Transport) in Neckarwestheim auf das Transportschiff gerollt, und voraussichtlich morgen geht deren Fahrt nach Obrigheim. Dort hat inzwischen die Beladung des Castors Nr. 10 mit den tödlichen Brennelementen begonnen. Voraussichtlich am Donnerstag fahren die Schiffe leer zurück auf ihre Parkposition in Neckarwestheim.

Wir lehnen alle diese Vorbereitungen für die weiteren Transporte ab!

 

Unsere Forderungen gehen noch entschieden weiter:

  • sofortiger Stopp der weiteren Atommüllproduktion in Neckarwestheim und Philippsburg!
  • jeder AKW-Betrieb direkt neben einem Castoren-Lager muss sofort verboten werden!
  • die seit dem 11.9.2001 und seit dem 11.3.2011 bekannten zusätzlichen Sicherheitslücken an den Atomstandorten müssen endlich geschlossen werden!
  • Stopp der AKW-Abbauarbeiten in Obrigheim, bis die dortigen Brennelemente endlich in einer Hochsicherheitshalle dort untergebracht sind!
  • 2046, also in 29 Jahren, werden das Castoren-Lager in Neckarwestheim und die ältesten Castoren dort ihre berechnete Haltbarkeit überschreiten und ihre Genehmigung verlieren. Wahrscheinlich werden die ersten Schäden schon vorher auftreten. Kein Mensch weiß, wie es dann weitergehen soll. Die Politik entlässt die EnBW in Kürze aus der Haftung, hat aber selbst keine Lösung. Dieses brennende Problem muss heute angegangen werden, nicht erst 2046!
  • keine Obrigheimer Castoren in ein Lager, dessen Genehmigung schon in 29 Jahren ausläuft!
  • Schutz der Matrosen, des Begleitpersonals und der Polizisten auf dem „Lastdrager 40“ und den direkt begleitenden Booten vor der erheblichen Gamma- und Neutronenstrahlung der Castoren!
  • ehrliche Information der Bevölkerung über die von den Castoren beim Transport ausgehende Strahlenbelastung, nachvollziehbare Messungen der LUBW ohne Verfälschungen durch Schleusenkammern, schräge Messwinkel usw.!
  • klare Information der Öffentlichkeit über Ort, Dauer und Gestaltung der „Bereitstellungslagerung“ der Castoren in Obrigheim!

 

Infoquellen:

www.neckar-castorfrei.de

  twitter.com/NeckarXCastor

  Hashtag: #NeckarXCastor

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